Der von US-Präsident Donald Trump angeordnete Abzug der amerikanischen Truppen aus den von Kurden gehaltenen Gebieten im Nordosten Syriens kam für die Kurden nicht überraschend. Die kurdischen Kräfte hatten seit Mitte Sommer 2019 damit gerechnet und ihre Optionen für den Fall vorbereitet. Überraschend kam hingegen das Timing von Trumps Ankündigung.
Der syrischen Opposition nahestehenden Quellen zufolge, hatten sich die syrischen Kurden unter der Prämisse vorbereitet, dass das Ziel eines türkischen Einmarschs die Übernahme der kurdisch-kontrollierten Gebiete an der türkischen Südgrenze unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung sein würde. Die Türkei hatte vor, die syrische Stadt Aleppo zur Hauptstadt und zum Hauptquartier der Freien Syrischen Armee zu erklären, die von der Türkei gesponsert, bewaffnet und ausgebildet wird. (3)
Die Kurden waren darüber hinaus massiv besorgt über die Erklärungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, er habe vor, drei Millionen syrische Flüchtlinge, die gegenwärtig in der Türkei untergebracht sind, in die von der türkischen Armee "befreiten" Gebiete umzusiedeln. Sein Versprechen konnte von Kurden nur auf eine Weise gedeutet werden: als Politik vorsätzlicher ethnischer Säuberung.
Die gesamte kurdische Bevölkerung Syriens wird auf 2,7 bis 3,5 Mio. geschätzt, wohnt hauptsächlich in großen Städten, mit einer Minderheit in Kleinstädten und Dörfern in Grenznähe zur Türkei, wie z.B. Afrin, Kobani und Manbij. Eine Umsiedlung von drei Millionen Flüchtlingen (arabische Sunniten) ohne Bezug zur kurdischen Ethnie würde die kurdische Mehrheit in diesen grenznahen Gebieten eliminieren, was ganz sicher im türkischen Interesse wäre. Die Zone würde die syrischen Kurden von den türkischen Kurden in der Türkei trennen und die Grenzzone in eine Sicherheitspuffer für Ankara machen, einschließlich einer "Flugverbotszone".